Interview mit Dr. Benjamin Dreer

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Interview mit Dr. Benjamin Dreer, Geschäftsführer der Erfurt School of Education und Autor des Praxisleitfadens Lehrerausbildung.

Fit4Ref: Herr Dr. Dreer, worum geht es denn in Ihrem neuen Buch?

Im Praxisleitfaden Lehrerbildung werden in einem praxisgerechten Format wichtige Grundlagen zusammengefasst, die für die Begleitung angehender Lehrkräfte in schulpraktischen Ausbildungsphasen (Praktika, Vorbereitungsdienst, Berufseinstieg) von Bedeutung sind. Neben Grundlagentexten finden sich im Buch viele Impulse und Materialen die dazu anregen und dabei unterstützen sollen, in der täglichen Arbeit auf bestimmte Aspekte einer guten Begleitung zu achten. Außerdem gibt es Selbstchecks um die Erfolge der eigenen Arbeit auch nachvollziehen zu können.

Fit4Ref: Was ist denn daran neu?

Neu ist, dass von konkreten Bedürfnissen angehender Lehrerinnen und Lehrer ausgegangen wird. In der bisherigen Fachliteratur wird häufig nur aufgezeigt, wie fachliche Begleitung gelingen kann. In z.T. umfangreichen Kapiteln geht es dann um ein didaktisches Grundverständnis, Lerntheorien, Unterrichtsbeobachtung, -planung und -nachbesprechung. Das ist wichtig und hilfreich, blendet aber aus, dass junge Menschen, die an Schulen kommen, weil sie Lehrerin oder Lehrer werden wollen, sich zumeist erst einmal mit viel grundlegenderen Aufgaben konfrontiert sehen: Sie müssen sich an der Schule zurecht und einen Platz im Kollegium finden. Sie wollen in produktiven Kontakt mit Schülerinnen und Schülern kommen. Sie wollen sich selbst erproben ohne dabei eingeengt oder alleingelassen zu werden. Diese einzelnen Aufgaben können unbearbeitet zu großen Problemen und sogar zum Abbruch eines Praktikums oder der gesamten Ausbildung führen. Mindestens jedoch behindern sie eine ertragreiche Arbeit an den Zielen der jeweiligen Ausbildungsphase. Mit guter Unterstützung der Schule können sie aber in der Regel mit überschaubarem Aufwand für beide Seiten erfolgreich bewältigt werden. Dies setzt voraus, dass unter den berufstätigen und angehenden Lehrkräften eine Sensibilität für solche Bedürfnisse besteht. Genau das soll mit dem Buch erreicht werden.

Fit4Ref: Und das sollen die Mentorinnen und Mentoren vor Ort neben der fachlichen Betreuung leisten?

Eine Aufgabe von berufserfahrenen Praktikerinnen und Praktikern ist es gemeinsam mit den Ausbildungsinstitutionen wie Hochschulen und Studienseminaren, nachfolgende Generationen gute Startbedingungen für den Beruf zu verschaffen. Ich weiß, dass es viele engagierte Lehrkräfte an den Schulen gibt, die ein persönliches Interesse an gut ausgebildetem Nachwuchs haben. Mir ist aber auch bewusst, dass oftmals kaum Ressourcen zur Verfügung stehen und für eine systematische Begleitung im Schulalltag schlicht die Zeit fehlt.
Ich halte es deshalb für wichtig noch einmal festzuhalten, dass ein ausbildungsfreundliches Klima nicht die Aufgabe einzelner fachbegleitender Lehrpersonen, sondern eine der gesamten Schulgemeinschaft ist. Das schließt die angehenden Lehrkräfte genauso ein, wie eine Schulleitung, die der Arbeit mit dem LehrerInnennachwuchs wertschätzend gegenübersteht und vielleicht sogar ein Konzept dafür erarbeitet. Auf einer solchen Grundlage kann dann auch eine fachliche Betreuung viel besser und effektiver funktionieren und auf diese Weise für Entlastung gesorgt werden. Die Materialien und Impulse, die ich im Buch vorschlage, sind u.a. im Hinblick auf dieses Ziel erarbeitet worden.

Fit4Ref: Das kling so, als würden mit dem Buch doch einige Probleme gelöst werden können?

Das Buch wurde so zusammengestellt, dass es auf dem gegenwärtigen Stand der Forschung aufbaut und gleichzeitig möglichst viele Anknüpfungspunkte an die praktische Arbeit aufweist. So wurden etwa die Materialen und Impulse während der Entwicklung umfangreich mit erfahrenen Praktikerinnen und Praktikern diskutiert. Und dennoch kann ein Praxisleitfaden nur einen Ansatzpunkt darstellen. Ich wünsche mir, dass auch in Zeiten akuten Lehrkräftemangels eine qualitätsvolle Ausbildung umgesetzt und weiter an der Optimierung bestehender Verfahren und Prozesse gearbeitet wird. Dafür braucht es neben Literatur auch angemessene Konzepte schulpraktischer Ausbildung, einen lebendigen Diskurs über Qualitätsmerkmale, Fortbildungsangebote und Austauschformate für alle beteiligten Akteure.

Fit4Ref: Was können Sie denn unseren Fit4Ref-Mitgliedern mitgeben, die sich gerade in der praktischen Ausbildung befinden?

Allen angehenden Lehrkräften lege ich vor allem zwei Dinge nahe:
Das erste ist, die eigenen Bedürfnisse zu reflektieren und mit der Schule über persönliche Anliegen zu sprechen. Dies gilt insbesondere – aber nicht nur – dann, wenn wichtige Bedürfnisse unerfüllt sind. Bedürfnisse sind individuell verschieden stark ausgeprägt. Während es einer Nachwuchslehrkraft ausreicht in guten Kontakt mit der Mentorin zu stehen, benötigt eine Andere intensiven Kontakt zu vielen Mitgliedern des Kollegiums, um sich aufgehoben zu fühlen. Auch eine Schule, die Bedürfnisse angehender Lehrkräfte ernst nimmt, wird also stets auf persönliches Feedback der jeweiligen zu begleitenden Person angewiesen sein. Positives Feedback bietet begleitenden Lehrerinnen und Lehrern darüber hinaus einen motivationalen Anker für ihr Engagement in der Ausbildung.

Das zweite ist, jede Nachwuchslehrkraft kann im Rahmen der fortgeschrittenen praktischen Ausbildung einen eigenen Beitrag dazu leisten, dass andere angehende Lehrkräfte gut an der Schule ankommen. Sei es durch durch ein nettes Willkommensgespräch, durch eine kleine Führung im Schulhaus oder durch die Weitergabe von „Insiderinformationen“.

Fit4Ref: Vielen Dank!

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